Depression

Wenn negative Gedanken anklopfen

Als ich letztens wieder einmal voller negativer Selbstüberzeugungen war, hatte meine Freundin Claudia eine sehr schöne Idee. Sie schlug vor, dass wir uns gegenseitig schreiben könnten, wie wir den jeweils Anderen wahrnehmen. Folgendes kam dabei über mich heraus:

– Du bist ein sehr vielschichtiger Mensch
– Du bist intelligent, findest schnell Zusammenhänge
– Du bist vielseitig interessiert
– Du hast ein gutes Gespür für Farben
– Du bist sensibel
– Du bist hilfsbereit
– Du bist perfektionistisch
– Du bist hin und wieder ein bisschen bockig
– Du bist verletzlich
– Du kannst gut auf andere Leute zugehen, knüpfst ansich schnell Kontakte
– Dranbleiben ist sehr schwierig für Dich
– Wenn du etwas machst, dann machst Du es mit allem Drum und Dran, stolperst dabei aber manchmal über Deine Ansprüche
– Du traust Dir selbst weniger zu als Du kannst
– Dir fehlt noch die Selbstliebe
– Du bist aufgeschlossen gegenüber allem und jedem
– Du bist mutig, traust Dich neue Dinge
– Du bewältigst Veränderungen
– Du hast Sinn für Kleinigkeiten/Feinheiten
– Du kannst gut formulieren und anregend schreiben
– Du lässt Dich schnell mitreißen
– Du hast eine bewundernswerte Genauigkeit

Während des Lesens breitete sich in mir ein richtig angenehmes Gefühl der Wärme aus, welches ich gar nicht näher benennen kann. Mit so vielen Punkten – dazu noch ein Haufen positiver Eigenschaften – hätte ich gar nicht gerechnet. Natürlich kann ich nicht allem vollkommen zustimmen.

Mir ist bewusst, dass meine Zweifel über lange Zeit antrainierte, negative (automatische) Gedanken sind. Sie lassen mich immer wieder meine Talente, Fähigkeiten und Eigenschaften herabwerten. Stattdessen erwarte ich in vielen Situationen, noch besser sein zu müssen. Nur dann kann ich mich selbst akzeptieren und werde somit ebenso von außen akzeptiert. Meine ‚ver-rückte‘ Überzeugung!

Ein Therapeut während meines ersten stationären Klinikaufenthaltes sagte in einer Gruppensitzung einmal etwas, was mich sehr zum Nachdenken brachte. Wie wäre es, sich bei jeder Person, die uns ein Lob ausspricht schlicht und einfach zu bedanken? Es ist so einfach und trotzdem fiel fällt es mir immer wieder enorm schwer, meine Handlungen nicht auf negative Weise zu relativieren.

VERDAMMT JA, ich kann gar nicht schlecht malen, ich schreibe recht passable Texte und ich bin kein vollkommener Idiot, mit dem sich niemand abgeben mag. Wieso schleichen sich diese Gedanken trotzdem regelmäßig durch eine meiner Hintertüren in den Kopf?

Ganz rational gesehen ist mir bewusst, welcher Anteil die Depression an dieser Denkweise hat. Depressive Menschen neigen zu negativem Denken und haben aufgrund eines geringen Selbstwertgefühls ein sehr schlechtes Selbstbild. Einige trauen sich gar nichts mehr zu während andere ihre Grenzen zur Überlastung nicht wahrnehmen können. Das Schlimme daran ist die Unfähigkeit innerhalb einer depressiven Phase, die Realität wahrzunehmen und zu überprüfen. Alles fühlt sich so endgültig an!

Zurück zu Claudias Idee. Ich überlege, ob es sinnvoll wäre, auch andere Menschen meines Lebens teilhaben zu lassen. Der Abgleich zwischen meinen eigenen Gedanken und dem Bild, welches Andere von mir haben, könnte mir helfen, meine negativen Überzeugungen Stück für Stück abzubauen.

Kennt ihr negative Gedanken, die sich ganz automatisch einstellen? Könnt ihr eure Fähigkeiten wertschätzen? Fällt es euch leicht Lob anzunehmen? Lobt ihr euch hin und wieder sogar selbst?

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8 Gedanken zu „Wenn negative Gedanken anklopfen“

  1. Liebe Annie,

    ja, ich kann sagen, wo meine Stärken sind und weiß sehr gut, was ich gut kann und habe kein Problem damit Komplimente einfach anzunehmen. ABER ich bin auch deutlich älter als du und musste all das lernen. Sich Akzeptieren mit seinen Schwächen und Unperfektem, so ist man eben… Das ist ein ganz normaler Prozess.

    Sich negativ zu hinterfragen hängt oft mit einem Hang zum Perfektionismus zusammen. Dieser Hang kann beruflich durchaus anspornend sein, aber für einen selbst ist das nicht so konstruktiv.

    Liebe Grüße, Bee

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    1. Liebe Bee
      herzlichen Dank für deinen Kommentar! Ich bin gar nicht so sicher, ob es ausschließlich etwas mit dem Alter zu tun hat, ob man sich so annehmen kann, wie man ist bzw. ob man sich in einem positiven oder negativen Licht darstellt. Sicherlich kommen da ne Menge Faktoren zusammen, die die eigene Wahrnehmung beeinflussen. Mit meinem Perfektionismus kämpfe ich auch regelmäßig. Dabei ist selbst in der Natur nicht alles perfekt!
      Herzliche Grüße
      Annie

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      1. Ich neige ebenfalls dazu zu perfektionieren, das stufe ich rückblickend als kontraproduktiv ein. Bei mir hat sich das gegeben, weil es einfach nicht zu schaffen ist alles bestens hinzubekommen. Auch ich hatte nicht so gute Zeiten (psychisch), auch negative Gedanken habe ich, aber ich lasse mich davon nicht sonderlich beeinflussen. Jeder hat solche Gedanken.

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      2. Liebe Bee,
        ich denke es ist wichtig ein gutes Mittelmaß zu finden. Perfektionismus in extremer Weise ist sicherlich kontraproduktiv, aber eine gewisse Prise lässt uns ebenso mehr aus uns herausholen, wie wir evtl. dachten. Mein Lob an dich, dass du deine negativen Gedanken so gut akzeptieren kannst ohne dich runterziehen zu lassen.
        Annie

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    2. Ich vermute, sich selbst zu akzeptieren, ja eigentlich zu mögen, mit all seinen Macken aber auch seinen Stärken… das hängt mit am Alter, aber wie gut es spontan gelingt hängt sicher an dem, was man in Kindheit und Jugend mitbekommen hat. In den letzten Jahren scheint es ja vermehrt Eltern zu geben, die „Leistungskinder“ züchten wollen, Burnout gibt es nun schon bei Schülern. Dabei wäre es für die Kinder womöglich viel wertvoller, wenn sie täglich folgende Botschaft als gelebte Realität erfahren könnten: Du wirst geliebt, wie du bist. Egal was du leistest.

      Ich habe nichts gegen Perfektionismus in Maßen. 😉 Es ist leicht, dem Perfektionismus gänzlich zu verfallen in dieser Welt aus Konkurrenzdenken. Die meisten Menschen wollen nicht sich selbst übertreffen, sondern andere. Damit kann man aber immer nur scheitern, es gibt immer einen „Besseren“. Als Musiker suche ich meinen Frieden damit und an vielen Tagen habe ihn sogar. Ich möchte mich selbst übertreffen, aber ohne Festbeißen. Und ich darf ja in meinem Tempo machen.

      Aber in vielen Jobs ist heute ein Ergebnis gefordert, ohne dass auf ein eigenes Tempo Rücksicht genommen wird, oder genommen werden kann. Ich wäre letztes Jahr fast innerhalb der Probezeit aus meinem neuen Job geflogen, aus vielerlei Gründen, aber unter anderem, weil ich gesagt habe: Fehler werden passieren. Wir werden sie nach Kräften vermeiden, aber sie sind unausweichlich.

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      1. „Du wirst geliebt, wie du bist. Egal was du leistest.“

        Das sollte selbstverständlich sein!

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  2. Liebe Julia,
    herzlichen Dank für deinen lieben Kommentar und die Hinweise! Ich lese mich erstmal durch alle durch und werde dich sicherlich auf deiner Seite besuchen kommen!
    Annie

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