Die letzten beiden Tage war ich unterwegs auf meiner ersten Fortbildung (Methoden zum Training sozialer Kompetenzen). Das war eine tolle Erfahrung, denn ich konnte eine Menge neuer praktischer Methoden mitnehmen, aber auch einiges über mich selbst lernen. Denn selbst nach Jahren unterschiedlicher Therapieerfahrungen, bemerke auch ich im Alltag häufig meine unbewussten, negativen Gedanken nicht. Dazu ein perfektes Beispiel meiner zwei Facebook-Einträge während der Fortbildung.
Die nächsten drei Tage bin ich auf Fortbildung zum Thema „Methoden des sozialen Kompetenztrainings“. Ich bin total hibbelig, weil ich heute schon durch die Anreise aus meiner täglichen Routine gerissen war. Die Zugfahrt war ganz angenehm – viel Musik auf den Ohren! Aber noch gestern habe ich gezweifelt, ob ich überhaupt losfahre. Ich mag es gar nicht aus meinem Alltag gerissen zu werden. Zusätzlich die alten Gedankenspiralen „Wie sind die Leute dort? Werde ich mich mit ihnen verstehen? Was werden die mich über mich denken? Was ist, wenn sie mich blöd (unprofessionell) finden?“ Diese Fragen lassen mich so häufig in die Vermeidung gehen, dabei kann ja objektiv gesehen überhaupt nichts passieren. Selbst wenn die Leute blöd sind, shit happens – ich bekomme trotzdem eine spannende Fortbildung geboten.
Ich war bereits vor dem Start und ersten Aufeinandertreffen mit den anderen Teilnehmern sehr aufgeregt. Durch die Therapie habe ich ja bereits einige Strategien entwickelt, um meinen negativen Gedanken entgegenzutreten. Sätze wie „Ich warte erstmal ab, was morgen auf mich zukommt.“ oder „Das Seminar wird sicher super interessant.“ haben mir leider nur mäßig geholfen. Mir ist klar, dass ich regelmäßig üben muss, damit sich neue Gedanken festigen. Denn nur dann können sich auch die Gefühle verändern.
Seltsamerweise wurde ich während einer Einheit zur Veränderung destruktiven Verhaltens noch einmal mit der Nase auf meine Problematik gestoßen. Unsere jugendlichen Klienten müssen ebenfalls erst einmal neue Verhaltensweisen kennen lernen und kontinuierlich anwenden, damit sich grundlegend etwas verändern kann. Das erscheint mir sehr logisch – wieso klappt es bei den eigenen Gedanken dann so schlecht?!
Dann starteten die Gedanken „Nehme ich direkt zum Frühstück eine Tasche mit, in die ich meinen Block mit Stift packen kann oder hole ich alles danach? Habe ich überhaupt Zeit noch einmal aufs Zimmer zu gehen? Wie wirkt das denn, wenn die Anderen schon alles dabei haben?“ Hach ja… ich mache mir einfach zu viele Gedanken.
Die nächste Hürde war die Tür zum Speisesaal. Als ich runterkam war sie geschlossen. Es gab also zwei Möglichkeiten. Entweder war der Saal noch abgeschlossen oder man muss erst diese unüberwindbare Tür öffnen, hinter der evtl. schon eine ganze Truppe von Leuten sitzt. Also nahm ich all meinen Mut zusammen – ich hatte ja schließlich Hunger – und ging rein.
Tatsächlich saßen da schon ein paar Menschen, die ich einfach mal als Teilnehmer meiner Fortbildung interpretiert habe. Ich ging zum Buffet, starrte alles unendlich lang an ohne direkt zu registrieren, was da überhaupt liegt. Irgendwie fühlte ich mich beobachtet und wollte keinen Fehler machen. Die selbstbewusste Annie tat so als jucke sie das alles gar nicht
Diese Gedankengänge waren mir bewusst und unbewusst zugleich! Mir war einerseits klar, dass ich mir viel zu viele Gedanken mache und es völlig egal ist, wie ich es nun mache, solange ich mich damit wohl fühle. Andererseits konnte ich mit dem fast zwanghaften Zerdenken der Möglichkeiten nicht aufhören. Sicherlich spielen da noch meine alten sozialen Ängste mit rein, was mich ehrlich gesagt erschrocken hat, denn ich dachte ich hätte sie ganz gut hinter mir gelassen. Natürlich ist es nicht mehr so wie zu Zeiten meiner sozialen Phobie, in der ich fast alles vermieden habe, aber ganz weg sind die sozialen Unsicherheiten nicht.
Was ist in dieser Situation noch normal? Mich würde wirklich interessieren, ob sich sozial sichere Menschen genauso viele Gedanken über die kleinsten Kleinigkeiten machen oder sie einfach intuitiv handeln, ohne groß darüber nachzudenken.
Seltsamerweise kann ich die Unsicherheiten, wie oben schon erwähnt, total gut überspielen. Ich stelle mich den angstbesetzten Situationen und gebe mich nach außen selbstbewusst, während ich innerlich aufgewühlt bin. Sobald ich die ersten positiven Reaktionen erfahren habe, kann ich mich entspannen.
Schritt 1: Negative Gedanken erkennen
Schritt 2: Negative Gedanken positiv umformulieren
Schritt 3: der Situation stellen und neue Erfahrungen sammeln
Interessant, wie sich die Erfahrungen manchmal ähneln. Deine 3 Schritte kenne ich auch, es ist nicht immer leicht, die negativen Gedanken im Alltag zu kontrollieren bzw. sich an die positiven zu halten. Wie andere Menschen das machen? Keine Ahnung, ich glaube, manche denken einfach nicht so, andere geben den negativen Gedanken weniger Gewicht oder haben einfach schon früher gelernt, die positiven Gedanken in den Vordergrund zu stellen.
Liebe Grüße, Jo 🙂
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Liebe Jo,
mir ist dieses Mal auch erst so richtig bewusst geworden, dass ich die Gedanken teilweise gar nicht mehr wahrnehme, weil sie immer so waren. Blicke ich jedoch von außen drauf, sehe ich wie belastend das Ganze sein kann. Jeder der drei Schritte ist schwierig und muss immer wieder trainiert werden. Weißt du was ich denke? Die Menschen, die sich selbstsicher verhalten, denken über solche Dinge wie „Nehm ich die Tasche mit zum Frühstück oder nicht?“ gar nicht nach. Sie tun, was für sie richtig erscheint, unabhängig von der Meinung anderer. Das liegt sicherlich auch an frühen Erfahrungen so sein zu dürfen, wie man ist.
Viele Grüße von Annie
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Hallo Annie,
ich kenne diese negativen Gedanken auch gut, gerade momentan ist das ein Thema, mit dem ich mich wieder mehr auseinander setzen sollte. Danke dir also für diesen Blogartikel zur rechten Zeit 😉 🙂
Das Fiese an der ganzen Sache finde ich, wie du schon geschrieben hast, dass man diese negativen Gedanken im Alltag oft kaum bemerkt – oder eben erst spät. Sie haben sich bei mir im Laufe der Jahre mit der Depression so verselbstständigt, dass ich mich immer wieder daran erinnern muss, dass sie eben nicht normal sind oder der Wahrheit entsprechen, sondern ein Symptom der Depression.
Die Schritte, die du aufzählst, um mit diesen Gedanken anders umzugehen, waren mir bisher noch gar nicht so klar … Ich werde es das nächste Mal auf diese Weise versuchen, wenn ich mich wieder beim gedanklichen Schwarzmalen ertappe.
Liebe Grüße
Nelia
P.S: Das neue Blogdesign ist sehr schön geworden!
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Liebe Nelia,
ich setze mich auch immer wieder mit diesem Thema auseinander – zwangsweise 😉
Es kann also gar nicht häufig genug von allen Seiten betrachtet werden!
Viele Grüße von Annie
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