Mir passiert gerade auf Mastodon dasselbe wie vorher schon auf Instagram. Ich setze mich zunehmend unter Druck. Mithalten zu müssen. Präsenz zeigen zu müssen. Immerzu vergleiche ich mich mit den Anderen. Diejenigen, die dort mehr Zeit investieren. Aktiv in Gespräche eingebunden sind. Längere und bessere Antworten geben als ich. Und im Umkehrschluss natürlich auch entsprechende Reaktionen zurückbekommen.
Ich glaube es fing mit der Twitterwelle im April an. Auf einmal fluteten massig neue Accounts unsere kleine Mastodonwelt. Und natürlich war ich zuerst total euphorisch. Gleichzeitig wurde es mir aber auch zu schnell zu viel. Ich hatte den Anspruch, wirklich jede*n Neue*n persönlich zu begrüßen. So wie es dort eben üblich ist. Allerdings war das bei der Masse gar nicht mehr möglich. Nur wie kann ich guten Gewissens jemanden orientierungslos ohne Reaktion zurücklassen, wenn wir doch alle möchten, dass die Neuen bleiben? Dass sie sehen, wie ’schön‘ es in den sozialen Medien auch zugehen kann? Ganz ohne Werbung, Hetze und nervige Algorithmen.
Mittlerweile ist die Welle abgeebbt, aber mein innerer Druck ist geblieben. Und umso mehr ich darüber nachdenke, wieso ich immer wieder an diesen Punkt gelange, umso klarer wird mir, dass es natürlich auch etwas mit mir selbst zu tun hat. Es ist der tiefsitzende Gedanke, dass ich erst einmal etwas leisten muss, um überhaupt gesehen zu werden. Aufmerksamkeit gibt es nicht umsonst. Und ich giere nach Aufmerksamkeit. Nach wahrgenommen und gesehen werden. Nach Interesse an mir. An MIR.
Ich struggle jeden Tag zwischen „Hier bin ich! Seht mich! Nehmt mich wahr!“ und „Das ist mir alles zu viel! Ich bin nicht gut genug! Ich muss mehr leisten, um überhaupt das Recht zu haben, gesehen zu werden!“ Das sind zwei extreme Pole, die sich da gegenüber stehen (Borderline lässt grüßen). Für mich fühlt sich nichts existentiell schlimmer an als unbedeutend und ungesehen zu sein. Es ist die Ohnmacht der kleinen Annie, die mich in solchen Augenblicken einholt. Denn als Kind war ich so einem System ausgeliefert. Ich wurde entweder übersehen oder war einfach nur nervig. Wie sagte mal mein Vater so schön: „Wenn ich dich als Kind gelobt hätte, hättest du dich nicht mehr genug angestrengt!“
Die Linie war klar. Leiste etwas, damit du es überhaupt verdient hast, irgendeine Art von Aufmerksamkeit oder Anerkennung zu bekommen. Totaler Irrsinn! Das weiß ich, die gesunde Erwachsene, natürlich. Trotzdem hallen all diese Erfahrungen ganz tief nach. Alte Muster, die automatisch zum Leben erweckt werden und mich selbst heute noch im Griff haben. Jeden Tag aufs Neue. Und ich weiß noch nicht, wie ich diesem Fluch entgehen soll?
Ich weiß jedoch, was ich nicht mehr möchte. Den Zwang, immer und überall präsent sein zu müssen, damit ich wahrgenommen werde. Den Druck, wirklich jede*n an die Hand zu nehmen, damit es ihr*m gut geht und er*sie sich wohlfühlt. Ist es nicht verrückt, dass ich mich verpflichtet fühle, all das, was ich selbst gerne hätte, Anderen zu geben, damit sie nicht das gleiche fühlen müssen wie ich?! Nur…, wo bleibe ich dabei?
Liebe Annie,
die Twitterwelle hat wirklich Stress gemacht-
– vom Gefühl her würd ich schreiben, das wahrnehmung etwas vages individuelles ist, ein Satz gesagt kann der eine hyperinteligent finden und der nächste lacht drüber- bleib bei Annie, dir und die du in dir findeckst, vielleicht langsam…. ohne dich nach anderen zu richten- und vergleichen im Netz? wo du vielleicht den/die anderen gar nicht live kennst und nur das siehst/liest was gezeig wird…? Nur so ein RandGedanke😉
Miss findet deinen Umgang mit dir, dein auf dich achten und das ist so viel, so gedankenanregend… mag die Annie kennenlernen- ein bisschen über die Zeilen, ein bisschen teilnehmen, aber nur ein bisschen😊 es ist schön das du da bist, einfach so…
(MissGedanken sind gerade etwas wirr 😊 da ist es immer etwas schwierig zu formulieren was eigentlich raus, gesagt werden mag 😊 )
Deine Gedanken egal wo, zu einer Zeit die für dich passt ist doch mega gut ok😊
…mit blauen🐘Grüßen
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Liebe Miss,
danke für deine Worte. Die Sache mit dem Vergleichen ist ziemlich ätzend. Und ich glaube, dass Viele sich in den sozialen Medien nicht davon freimachen können. Ich wage mal zu vermuten, dass es in gewissen Maße sogar gewollt ist. Wenn man dann auch noch vorbelastet ist, kann es zu einer äußerst heftigen Qual werden.
Pass auf dich auf! 💜
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Hey Annie,
deine Gedanken kann ich total nachvollziehen. Mich hat die Twitter-Welle auch gestresst. Ich bin ganz vielen neuen Accounts gefolgt, wollte sie motivieren, vielleicht hat das manchmal auch geklappt. Es fühlte sich einige Tage aber wirklich an wie auf einem Hühnerhof – alles flatterte wild umher und die bekannten Gesichter und Accounts verschwanden in all dem Gewusel.
Ganz generell war die Flut neuer Leute natürlich etwas Gutes, aber sie kam doch ziemlich plötzlich. Mir war klar, dass das nicht allzu lange dauern würde, aber irgendwann wurde es mir auch zu anstrengend und ich habe Mastodon ein bisschen seltener frequentiert. Ein paar Tage Detox, sozusagen. Das hat mir geholfen.
Gerade Mastodon ist ja drauf angelegt, dass man es für sich selbst so nutzen kann und soll, wie man will. Müssen tut da natürlich keiner was. Du fragst dich, wie du diesem Fluch entgehen kannst. Ich glaube, am wichtigsten ist die Erkenntnis selbst. In diesem Sinne hast du das Schwierigste schon geschafft 😉
Viele Grüße
Thomas
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Hallo Thomas,
ja, es war mega anstrengend und ich bin wirklich froh darüber, dass es wieder ruhiger geworden ist. Trotzdem kann ich mich noch nicht richtig von Erwartungen und Vergleichen freimachen.
Ein paar Tage Abstand nehmen war sicherlich eine gute Sache. Das hast richtig gemacht! Ich ziehe mich auch schon mal an einzelnen Tagen zurück. Nur kappe ich mir damit auch jede Menge Interaktion. Im RL gibt es in meinem Umfeld nur sehr wenig Menschen.
Das Erkennen läuft übrigens schon einige Jahre. Ich gelange trotzdem immer wieder an den gleichen Punkt. Das braucht wohl noch etwas Zeit?!
Schönen Sonntag!
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