Ich bin echt froh, dass es mir heute wieder etwas besser geht und ich mehr Energie habe. Die letzten Tage war ich ziemlich erschöpft und konnte mich für nichts begeistern. Gestern Abend hatte ich einen starken Gefühlsausbruch, den ich immer noch nicht richtig zuordnen kann. Dazu kam die extrem laute Stimme meines leistungsfordernden Anteils (innerer Kritiker), der mir weismachen wollte, dass ich alles Liegengelassene der Woche nun aufholen und ausgleichen muss. Das ist so ein absolut beschissener Teufelskreis: die Kraft fehlt, der Fordernde schreit, der gesunde Erwachsene versucht zu verhandeln, die Kraft schwindet noch mehr. Je mehr ich emotional angekratzt bin, desto mehr fällt mein innerer Schutzwall. Und schon haben die kritischen Anteile freie Bahn!
Dabei hat der gesunde Erwachsene in mir echt gute Argumente. Meine Woche war anstrengend! Und ja, der strafende Anteil schreit mich gerade an, dass ich mich nur anstelle und Ausreden suche. Fuck off! Die Woche WAR anstrengend! Ich hatte zwei Erstgespräche für eine Psychotherapie und dazu noch eine heftige Migräneattacke, die mich zwei Tage lahmlegte. Leider sind solche Tage extrem gutes Futter für meine kritischen Stimmen.
Stell dich nicht so an, du kannst auch mit Migräne kleine Aufgaben im Haushalt machen! Denk dran, wie es wird, wenn du gar nichts mehr tust. Das Chaos wird dir über den Kopf wachsen und du wirst es NIE wieder hinbekommen! Du Versagerin!
Mir ist natürlich klar, dass mich eine Woche, in der ich weniger im Haushalt mache, nicht direkt in die Apokalypse schmeißen wird. Die innerliche Anspannung und Angst ist trotzdem da. Und es ist schwierig, damit gut umzugehen. Zuerst einmal habe ich mir jeden Tag kleine Reminder in mein Bullet Journal geschrieben. Das waren kurze Sätze wie „Ganz langsam machen!“, „Kleine Schritte machen!“ oder „Ich muss nichts aufholen oder ausgleichen!“ Dabei ist mir bewusst geworden, dass ich meine Instruktionskärtchen für den gesunden Erwachsenen nicht weitergemacht habe. Das ist irgendwann in der Zeit nach der Klinik ‚in Vergessenheit‘ geraten. An dieser Stelle einen lieben Gruß an Frau B. 😉
Instruktionskärtchen dienen dazu, innere Anteile, z. B. den gesunden Erwachsenen, zu stärken. Bei mir stehen darauf Aussagen wie „Ich kann Probleme lösen, ohne in Panik verfallen zu müssen.“, „Ich darf mich ernst nehmen.“, „Es ist völlig in Ordnung, Fehler zu machen.“ oder „Ich darf flexibel sein.“ Gerade der letzte Punkt, macht jedoch immer wieder große Angst. Deshalb kann ich irgendwie auch verstehen, wieso der Fordernde so viel Druck macht, mich an meine Pläne halten zu müssen. Feste Pläne geben Sicherheit. Aber feste Pläne sind eben auch starr. Es ist unmöglich mich jeden Tag in eine starre, vorgegebene Form zu pressen. Pläne machen ist okay, aber ich brauche Spielraum für Abweichungen.
Und ich glaube ich mache gerade die ersten zaghaften Schritte. Als ich vor einigen Tagen das Wohnzimmer saugte, kam mir plötzlich in den Sinn, dass es doch überhaupt nicht schlimm ist, meine To Do’s an meine Tagesform anzupassen. Wer schreibt mir denn vor, dass ich XYZ unbedingt an Tag ABC machen muss?! Nur ich selbst. Für den Rest der Welt ist es einfach mal scheißegal!


Liebe Annie,
der Teufelskreis, den du beschreibst, kommt mir total bekannt vor. Mein innerer Kritiker (den ich nur dank dir mittlerweile zuzuordnen weiß) ist da auch so schrecklich ungeduldig und ungnädig mit mir.
Spannenderweise finde ich es aber gerade zu erstaunlich, was du mit Migräne noch leisten kannst. Hut ab davor, von meiner Seite.
Deine Karten sehen toll aus und ich freue mich für dich, dass du sie wieder zur Hand genommen hast und sie dir helfen.
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Hallo Hinata,
an den Migränetagen habe ich echt nicht viel gemacht. Das waren nicht die Tage, an denen ich bei den Gesprächen war. Außer ausruhen und Reizen aus dem Weg gehen ging absolut nichts.
Die Ungeduld kann ich sehr gut nachvollziehen. Bei mir muss auch alles immer direkt funktionieren. Ich lasse mir nur wenig Zeit zum Ausprobieren. Das möchte ich definitiv verändern. Hast du denn eine Idee, wie du damit umgehen magst?
Viele Grüße von Annie
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