Gänseblümchen der Woche #120
Vor einiger Zeit habe ich mir überlegt, dass ich doch ein paar Vorlesungen an der Uni besuchen könnte solange ich noch im Wartemodus für die Klinik bin. Einfach mal aus der Wohnung kommen, Abwechslung im Alltag erleben und mich dazu geistig ein wenig (heraus-)fordern. Denn es ist nun mal gerade so, dass mir echt die Decke auf den Kopf fällt. Ständig hänge ich gedanklich bei meiner Erkrankung. Wie soll es weitergehen? Kann es überhaupt weitergehen? In welche Richtung soll es denn weitergehen?
Am Montag war es soweit. Der erste ‚offizielle‘ Vorlesungstag in diesem Semester. Allerdings wurde mir erst dann richtig bewusst, wie schwer es mir wirklich fällt, meine gut eingerichtete Komfortzone zu verlassen. Mir fielen auf einmal tausend Gründe ein, wieso ich auf keinen Fall zur Uni fahren kann. Am liebsten wollte ich nämlich diesen Tag wie die meisten Tage der letzten Monate verbringen – ein wenig Haushalt, ein wenig häkeln, einen Spaziergang machen und ausruhen. Gewohnte Abläufe geben mir Sicherheit. Aber genau diese Sicherheit sperrt mich auch extrem ein und macht mich unzufrieden.
Ich will etwas verändern! Ich will neue Erfahrungen sammeln! Und ich habe es tatsächlich gewagt! Ich bin zur Uni gefahren und habe mir eine sehr interessante Vorlesung zur klassischen Konditionierung angehört. Natürlich war ich abends platt, aber das ist völlig in Ordnung! Das Gewusel auf dem Campus, ein voller Vorlesungssaal mit mir unbekannten Menschen und eine Menge spannender Lernstoff. Wer wäre da nicht körperlich und geistig überfordert gefordert?!
Deshalb ist es umso wichtiger, die Tage danach Selbstfürsorge zu betreiben. Einen Gang zurückschalten, meine Aufgaben langsamer angehen und bewusst für einige Tage in meiner Sicherheitszone bleiben, um Kraft zu tanken. Und ganz vielleicht wird es einiges Tages weniger anstrengend sein, wenn ich nur oft genug meine Komfortzone in ganz kleinen Schritten erweitere?! Auf keinen Fall möchte ich mir meinen persönlichen Lebensraum von meiner psychischen Erkrankung einschränken lassen. Es gibt Wege, damit zu leben! Auch für mich, da bin ich mir sicher. Ich muss sie nur erst noch finden.
Weitere Gänseblümchen der Woche:
- achtsame Spaziergänge im Park mit Sonnenschein
- das erste Mal geschafft, Libellen von Nahem zu fotografieren
- bewusst durch Herbstlaub gelaufen – ich liebe die Farben des Herbstes
- einige wichtige Telefonate erledigt, worauf ich sehr stolz bin
- Grimm Staffel 6 gesuchtet – leider war es die finale Staffel
- einige wirklich interessante Dokus geschaut und Podcasts gehört
- an dem Tuch für eine Freundin weitergehäkelt
Was waren eure schönen Momente der Woche?
Hier könnt ihr nachlesen, was es mit dem Gänseblümchen der Woche auf sich hat. Ihr seid herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.
Noch mehr Gänseblümchen findet ihr bei
- Laberladen
- Nelia von Farbensehnsucht
- Nicole von Goldkindchen
- Meersinn – Zwischen den Zeilen
- Trienchen von Colours & Darkness
- Birke Zeitenmosaik
- Jeca von Psychologik
Liebe Annie,
„Komfortzone“ ist für mich eine sofort verständliche, jedoch im Zusammenhang mit Depression und psychischen Erkrankungen schwierige Umschreibung.
Ich nenne es für mich gerne eher „Schutzraum“ oder einfach „meinen Raum“.
Leider ist mir in meinem Leben mit „Komfortzone“ auch gerne mal meine Faulheit (Antriebslosigkeit), Ziellosigkeit (fehlende Kraft für Engagement), meine Orientierungslosigkeit (Sinnleere) vorgeworfen worden.
Diesen Begriff verwendeten gerne Menschen, die im Brustton tiefster Überzeugungen WUSSTEN, was richtig ist und wie sich MENSCH zu verhalten hat, in dieser Gesellschaft und … im Leben.
Oft schwang in der Verwendung des Begriffs mein vermeintliches Schmarotzertum mit, dass ich dem Staat oder den Eltern auf der Tasche läge, soziale Stützen kassiere, obwohl … wenn ich die Arschbacken nur zusammen kneifen würde …
Für dich bedeutet KoZo was anderes. Sicherheitszone.
Ich möchte dich komplett darin unterstützen, dass es niemanden gibt, der ein Urteil darüber fällen darf, wie du deine Zeit füllst oder nicht, wie du deinen Tag verbringst, in welchem Tempo oder gar mit welchen Inhalten.
Es ist dein Leben und es geht um dich, deinen äußeren und vor allem deinen inneren Raum.
Und, übrigens, du hast die Kraft gehabt, dich ins Getümmel zu stürzen und dein Bedürfnis nach geistiger Nahrung zu stillen – Hut ab! 🙂
Alles Liebe!
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