Seit ungefähr einem halben Jahr bin ich schon bei meiner neuen Arbeitsstelle. Ich komme langsam in dieser ‚erwachsenen‘ Berufswelt an, vor der ich mich ganz schön lange Zeit gefürchtet habe. Nach einem Jahr erfolgloser Arbeitssuche, habe ich es nun wirklich gut getroffen. Meine Chefs sind nett, stehen bei meinen Entscheidungen voll hinter mir und möchten mich auf lange Sicht behalten. Die Arbeit macht mir an den meisten Tagen Spaß – genau die richtige Mischung aus sozialer Arbeit und Büro. Eigentlich die perfekten Bedingungen!
In den letzten Monaten gab es einige Personalwechsel, so dass sich auch mein Team im ständigen Wandel befand. Meine Kollegin arbeitet die gleiche Anzahl an Wochenstunden wie ich. Da sie knapp zwei Monate nach mir kam, war es meine Aufgabe sie einzuarbeiten, was ich mir seltsamerweise, trotz fehlender eigener Einarbeitung von außen, zutraute.
Ich muss jedoch gestehen, dass ich nicht der geduldigste Typ Mensch bin. Wenn mir etwas nicht auf Anhieb gelingt, werde ich sehr schnell ungeduldig und schmeiße schon zu Beginn alles frustriert hin. Von meinem Gegenüber erwarte ich nun die Arbeit genauso schnell zu verstehen wie ich. Natürlich ist das fernab jeglicher Realität, denn jeder von uns lernt auf andere Art und Weise – eben in seinem ganz eigenen Tempo. Da mir meine Einstellung schon recht früh bewusst geworden ist, habe ich daran gearbeitet mit meiner Kollegin geduldiger zu werden.
Ich nahm sie an die Hand und zeigte ihr in der alltäglichen Arbeit, welche Aufgaben wir haben. Über die ersten Fehler versuchte ich hinwegzuschauen und erklärte ihr, worauf sie zu achten hat. Außerdem kann sie mich jederzeit fragen, wenn ihr etwas unklar ist. Ich weiß noch, wie ich zu Beginn meinen Chef mit Fragen durchlöchert habe! Bis heute läuft allerdings ziemlich viel schief. Natürlich wird dann auch bei mir nachgehakt, was das denn soll.
Mir geht es gar nicht darum sie schlecht zu machen oder ihre Fehler in den Mittelpunkt zu rücken. Jeder macht mal Fehler – wir sind alle menschlich. Viel eher stellt sich mir die Frage, wie ich mich besser emotional abgrenzen kann. Es zieht mir zur Zeit jegliche Energie aus dem Körper. Mittlerweile sind es schon winzige Details, über die ich mich täglich aufrege. Einmal war es so schlimm, dass ich zu heulen hätte anfangen können und innerlich nur noch „ich boykottiere“ dachte.
Es wäre für mich einfacher, wenn es mir egal sein könnte, was sie tut. Wir arbeiten jedoch als Team zusammen, was eine gewisse Außenwirkung besitzt und ein Stück weit unser Unternehmen repräsentiert. Deshalb fällt es mir besonders schwer, bei den ‚wichtigeren‘ Aufgaben die Augen zu verschließen.
Vor ein paar Tagen habe ich meinem Chef mitgeteilt, dass ich zu den ‚kleineren‘ Fehlern nichts mehr sagen werde. Er muss sich dann eben darum kümmern, wie er es haben möchte – und zwar direkt an der richtigen Adresse. Vielleicht ist das der erste Schritt, mir ein wenig die Last von den Schultern zu nehmen.
Ich hatte auch schon darüber nachgedacht, mich dem Konflikt ganz und gar zu stellen. Bisher habe ich es mit netter Beharrlichkeit probiert, was jedoch wenig gebracht hat. Viele Optionen bleiben einfach nicht mehr. Was soll ich also tun? Über meinen Schatten der riesigen Angst springen und meine Emotionen direkt rauslassen?
Ich möchte doch nur meine Energie wieder zurück!
Hallo Annie
Ich denke, dafür ist aber auch der Chef zuständig, wenn es zuviel ist und überhand nimmt mit den Fehlern. Ich verstehe dich gut, was ich kann und jemanden beibringen soll, von dem erwarte ich auch immer, dass er es mindestens so schnell versteht wie ich. Wenn ich mich wochenlang wiederholen muss, reisst der Geduldsfaden und ich werde patzig und gemein. Will ich zwar nicht, aber ab einem gewissen Zeitrahmen, gebe ich das ab und gehe eine Instanz höher. Es raubte, wie du schon sagst, Energie und das muss ja nicht sein.
Liebe Grüße
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Liebe Tanja,
da ticken wir wohl ähnlich – ich denke es sind immer zwei Seiten an diesen Gefühlen beteiligt. Daher möchte ich mich auf mich fokussieren und wie ich es verändern kann. Diese Woche werde ich ein Gespräch mit meinem Chef suchen, dann evtl. noch ein gemeinsames Gespräch mit meiner Kollegin. Ich habe gestern bei der Therapie alles für mich aufdröseln können. Meine Therapeutin hat mir dabei gute Hinweise gegeben, die ich noch gar nicht in Betracht gezogen habe. Ich wünsche dir einen schönen sonnigen Tag!
Annie
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Abgrenzung ist sehr wichtig, hast Du ja schon als Titel gewählt. Gerade bei den Depris in meinem Umfeld merke ich, dass sie oft bereit sind, sehr viel zu geben, wenn es um andere Menschen geht. Ich selbst bin auch so. Das ist durchaus auch etwas sehr wertvolles – aber nicht in jeder Beziehung. Denn Kollegen sind eben einfach selten beste Freunde und man bekommt oft nicht das zurück, was den Energieaufwand wieder entsprechend puffert.
Im Beruf kann es passieren, dass man auf einmal noch auf eine neue Art auf sich aufpassen muss. Der Beruf kann einen aussaugen wollen. Weil andere dort mit Sicherheit nicht das Beste für dich wollen, sondern für sich. Wenn’s dann mit dem eigenen Urvertrauen nicht so solide ist, kommt schnell vieles ins Wanken.
Was nicht heißt, dass alles furchtbar ist. Ich für meinen Teil musste es erst mal lernen, das anzunehmen: In einer Welt zu sein, in der ich auf nochmal neue Art auf mich aufpassen muss. Und, die nächste Herausforderung: Damit auch Konflikte riskieren. Auch mal zurückschießen. Ohne fies zu werden. Ohne verletzen wollen. Mehr so, um wieder gerade zu stehen, auf beiden Beinen: Ich übe noch, noch lange.
Wenn man ein gutes Team mit gutem Chef hat, kann man auch sagen, was einem weh tut. Vorsichtig und persönlich: „Die Neue strengt mich schon auch an, die ist einfach nicht so schnell im Kopf“ – oder so. Wenn der Chef gut ist, hört er es sich mindestens an, oder er weiß sogar Rat. Damit das klappt, muss es aber ein Team sein, in dem es erlaubt ist, nicht superduperperfekt zu sein. Denn der Superduperperfekte macht keine Fehler und hat keine Probleme. Nur gibt es ihn halt leider nicht, egal ob depri oder nicht. 🙂
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