Gestern war so ein Tag, an dem mich die Depression mal wieder richtig fest im Griff hatte. Schon beim Aufstehen bemerkte ich, wie meine Gedanken zu kreisen anfingen, so dass in meinem Kopf ohne mein Einverständnis eine richtige Party im Gange war.
Es begann mit Grübeleien rund um die Situation mit meiner neuen Arbeitsstelle. Ich hatte in den letzten 2 Wochen zwei Mails an meine Chefin geschrieben, weil ich etwas Licht in die Unsicherheit bringen wollte. Sie hatte bereits am Dienstag vor, sich bei mir zu melden. Leider kam bisher keine Nachricht, so dass ich immer noch nicht weiß, ob es mit dem Job nun klappt. Bevor ich das erste Mal meinen mittlerweile widerrufenen Arbeitsvertrag unterschrieben hatte, bekam ich jedes Mal zügig eine Antwort auf meine Fragen. Natürlich ist das ein willkommener Anlass für meine Depression ‚rumzufantasieren‘:
„Sicherlich habe ich sie total genervt! Sie möchte mich jetzt gar nicht mehr einstellen, weil ich zu viel Unsicherheit für den Job mitbringe. Sie meldet sich nicht, damit sie mich elegant loswerden kann.“
Stein auf Stein auf Stein
„Durch das ganze Chaos habe ich 2 Monate für die Jobsuche verloren. Ich hätte im April fast ohne Geld da gestanden. Wieso macht sie so etwas? Jetzt bin ich immer noch arbeitslos. Ich werde nie eine Arbeit finden, weil ich einfach keine Kraft mehr habe, mich weiter zu bewerben.“
Weitere 5 Steine
„Wie soll ich das meiner Familie und meinen Freunden sagen? Die müssen doch alle denken ich bin die komplette Versagerin. Wahrscheinlich glauben sie mir nicht einmal, dass ich wirklich ein Jobangebot hatte.“
Stein für Stein für Stein
„Schau dir M. an. Sie war im Studium nur Mittelmaß und hat jetzt trotzdem, ohne in die Arbeitslosigkeit zu rutschen, direkt eine Stelle bekomme. Du kannst absolut gar nichts!“
Noch 2 Steine
„Jetzt muss ich weiterhin mit dem bisschen Geld des Jobcenters auskommen. Meine Schulden werde ich nie los. Ich werde nie auf eigenen Beinen stehen. Ja, kriech zu Papi und gestehe dein Versagen ein!“
Stein. Stein. Stein. Stein.
„Du schaffst es nicht einmal, die Kaution von der alten Wohnung durch den Mieterbund einzufordern. Nichtmal ein Anruf bekommst du hin.“
Stein auf Stein
„Ich möchte nicht mehr, mein Leben ist so sinnlos, völlig ohne Hoffnung.“
STEIN
Ohne es zu bemerken baue ich eine Mauer um mich. Mit jedem zusätzlichen Gedanken wird es schwieriger, sie noch aus eigener Kraft zu zerschlagen. Sie hält mich gefangen, engt mich ein und nur durch den Blick nach oben kann ich erahnen, dass irgendwo dort draußen doch noch ein Funken Hoffnung sein muss.
Oje Annie, wenn es anfängt zu kreisen, kann es schnell ausufern und man Gerät in den Strudel. Vielleicht hat deine Chefin Osterurlaub oder deine Mail ist in den Spamordner gerutscht. Das wird schon. Stein für Stein abtragen oder zu Staub zerbröseln. Alles wird gut.
Schönen Freitag
Tanja
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Liebe Tanja,
meine Therapeutin ging mit mir gestern auch die wahrscheinlichsten und unwahrscheinlichsten Möglichkeiten durch. Nur weil mein Kopf so viele negative Szenarien entwirft, sind sie ja lange nicht wahr. Trotzdem ist es einfach enttäuschend und für mich kräftezehrend nicht zu wissen wohin es beruflich geht.
Komm gut ins WE!
Annie
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Hallo Annie,
ich alter Mann lese immer wieder deine Gänseblümchen mit, und heute schreibe ich Dir mal.
Dein Aufbauen der Mauer ist eigentlich eine Gedanken-Lawine die immer wieder und immer weiter rollen kann – und gegen solche Lawinen mußt Du dir eine Strategie aufbauen — DIE LAWINE STOPPEN —
einfach etwas andere tun – ablenken – Sonne suchen –
Ich weiß es ist leichter gesagt als getan – aber reiß die Mauer ein, stopp die Lawine, das ist wichtig.
Ich habe auch immer wieder solche Tage, mit Gedanken, die dann im Rückblick eigentlich gar nicht soooo tragisch waren.
REISS DIE MAUER EIN – STOP DIE LAWINE – heute soll der Frühling kommen – denk an Sonne und wenn die nicht da ist, schalt alle Lichter ein in Deiner Wohnung – schalte Dir gute Musik ein (keine die dich hinabzieht)-auch wenns Dir anfangs nicht gefällt, fröhliche Musik – und wenns sein muß – gönn Dir etwas Gutes – einfach mal so !!
Ich bin zu meine Depressionen auch noch Diabetiker – und da kauf ich mir dann bei so einer Lawinensituation einfach auch mal ein dickes, süßes, großes Stück Torte und lass die mir schmecken – egal ob der Zucker steigt!
LAWINE STOPPEN – DAS IST WICHTIG !!!
Liebe Grüße
K u r t
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Lieber Kurt,
ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar, der mir gleich beim Lesen ein kleines Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Vorgestern habe ich versucht den Bau der Mauer zumindest zu stoppen, in dem ich mich bewusst abgelenkt habe – Buch lesen und PC spielen. Das hat für eine Weile geklappt. Meine Therapeutin erarbeitet mit mir gerade Alternativen und Auswege aus diesen ganzen Gedanken. Wenn ich mitten drin stecke, sehe ich meist kein Sonnenschein mehr. Daher soll ich außerhalb dunkler Phasen immer wieder üben meine Gedanken wahrzunehmen und zu verändern.
Schönes Wochenende!
Annie
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Liebe Annie,
solche Grübeleien und gerade die Selbstabwertungen kenne ich selbst auch sehr gut. Daher von meiner Seite erst einmal eine solidarische Umarmung.
Es ist schwer, all diesen innerlichen Gemeinheiten keinen Glauben zu schenken. Vor allem, wenn sie einen schon so lange begleiten. Aber ich glaube ganz fest daran, dass sich das alles auch ändern kann und wir lernen können, uns daraus zu befreien – auch, wenn manches Mal alles so finster aussieht. In Dir wohnt die Freiheit. Manchmal braucht man Hilfe, von lieben Menschen, klugen Therapeuten und vor allem Schritt für Schritt.
Pass auf Dich auf!
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Liebe Sturmfrau
vielen Dank für deinen Kommentar und die virtuelle Umarmung. Deine Worte zu lesen, hat mich tatsächlich ein wenig umarmt. Es ist wohl ein lange Lernprozess, solche Gedanken nicht auftürmen zu lassen. In der Therapie bin ich bereits dran. Noch einen schönen Sonntag wünsch ich dir!
Annie
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Hallo Annie,
ah, wie bekannt mir dieses Szenario vorkommt! Du beschreibst das sehr anschaulich, es hat mich berührt.
An schlechten, von der Depression geprägten Tagen werden Kleinigkeiten und größere Baustellen von mir gedanklich so sehr zerlegt, bis es sich nur noch irgendwann im Kreis dreht, aber aufhören kann ich dann trotzdem nur sehr schwer. Und „natürlich“ wird alles von seiner negativen Seite aus bewertet: Es kann nicht sein, dass sich etwas zum Guten wendet, es „muss“ zwangsläufig die schlimmstmögliche Wendung eintreten, die warum sollte mir unfähigem Wesen etwas gelingen? Und so weiter und so fort geht die Spirale der Selbstbewertung
Durch die Therapie gelingt es mir inzwischen zum Glück besser, dieses Katastrophendenken als solches zu erkennen und gegensteuern, an manchen Tagen mehr, an manchen weniger. Ich versuche es als Symptom meiner Krankheit Depression zu sehen und mir immer zu sagen, dass es nicht mein normales, gesundes Denken ist, das alles so schwarz sieht. Dranzubleiben und weiter zu üben, sich selbst anzunehmen, das Gute an einem wahrzunehmen, das halte ich für kräftezerrend, aber auch so wichtig.
Mir hilft es mein Tagebuch dabei sehr, in dem ich schöne Erlebnisse aufschreibe und Momente, in denen ich zufrieden mit mir war, vllt auf mal stolz auf etwas. Das kann ich dann nachlesen, wenn die Stimmung wieder zu kippen droht.
Alles Gute für dich dabie und viele liebe Grüße
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Liebes Nebelherz,
ja die Spirale ist schlimm, weil sie wirklich unaufhörlich dreht, wenn man einmal damit beginnt. Bei mir war es auch so, dass ich dann von einem Thema zum nächsten gekommen bin. Es kam alles mögliche hoch, was nicht geklappt hat, was ich nicht regeln konnte und mir enorm viel Kraft raubt(e). Irgendwann war ich dann an dem Punkt alles komplett in Frage zu stellen. Zum Glück bemerke ich diese Gedankengänge mit einem rationalen Teil in meinem Kopf. Durch die Ablenkung konnte ich etwas gegensteuern. Die Gefühle sind dadurch natürlich nicht sofort weg.
Ich hoffe du hattest ein schönes Wochenende. Einen guten Start in eine neue Woche!
Annie
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