In meiner Therapie schauen wir uns zur Zeit meine automatischen Gedanken an, die ich im Verlauf meines Lebens erlernt und abgespeichert habe. Ihr kennt sicher solche Situationen, in denen ihr euch scheinbar ohne Grund auf eine Aussage, ein Verhalten oder einen Blick urplötzlich ängstlich, unsicher, nervös, angespannt, unattraktiv, dumm, minderwertig etc. fühlt. Mich überfällt bei sowas jedesmal große Ohnmacht, so dass ich glaube ‚falsch‘ zu sein.
Zuerst kommen die Gedanken – dann folgen die Gefühle
Genauso funktionieren negative automatische Gedanken. Sie wurden in unser Gehirn einprogrammiert, wir haben sie wieder und wieder durchlaufen, so dass sie ohne große Anstrengung, eben ‚automatisch‘, ablaufen. Die Verbindung zwischen den beteiligten Nervenzellen wurde so umfangreich ausgebaut, dass mögliche, bessere Nebenstrecken völlig unbeachtet bleiben.
Teilweise bemerke ich meine negativen Gedanken überhaupt nicht (mehr), sondern empfinde nur die belastenden Gefühle. Zum Glück bin ich noch nicht an dem Punkt angekommen, sie als unumstößliche Tatsache zu akzeptieren.
Ein Beispiel aus meinem Alltag:
Ich war ja bereits für 2 Gespräche und eine Hospitation bei meiner zukünftigen Arbeitsstelle. Meine Chefin fragte mich bei meinem ersten Vorstellungsgespräch ob ich Haustiere hätte. Also erzählte ich ihr von meinen drei geliebten Rennern. Sie griff das Thema immer wieder auf, in dem sie so etwas sagte wie „Sie müssen langsam nach Hause, damit Ihre Rennmäuse Futter bekommen.“ oder „Was machen denn Ihre Rennmäuse? Sind sie auch krank?“
Ich fühlte mich augenblicklich nicht ernst genommen und total veralbert. Dem ging natürlich in meinem Kopf das übliche Programm an Gedanken voraus. „Sie verarscht dich total, merkst du das nicht? Sie findet es lächerlich, dass du Rennmäuse hast.“
Ihr merkt, die Gefühle folgen NACH den Gedanken – nicht umgekehrt!
Automatische Gedanken funktionieren wie Google
Meine Therapeutin erklärte mir anhand von Googles Suchmaschine, wie es sich mit den automatischen Gedanken verhält. Wenn ihr einen Begriff über Google suchen lasst, werden euch auf der ersten Seite alle relevanten Ergebnisse angezeigt, die bisher am häufigsten angeklickt wurden. Ob sie qualitativ gut oder schlecht sind, ist von außen nicht sichtbar. Vielleicht befindet sich sogar auf Seite 10 ein Link, der wesentlich bessere Informationen bereithält. Damit dieses Ergebnis von Google nun weiter oben gelistet wird, bedarf es aktiver Beteiligung – search engine optimization (Suchmaschinenoptimierung durch z. B. Klicks, Benutzung beliebter keywords, backlinks, etc.).
Mit unseren destruktiven Gedanken verhält es sich identisch. Wir müssen aktiv dazu beitragen, neue Gedanken zu entwickeln – die Nebenstrecken unserer Autobahn des Gehirns Stück für Stück als alternative Routen ausbauen.
Ihr könnt mir glauben, dass es einfacher klingt als es ist. Ich bin besonders frustriert, wenn sich trotz der Bemühung der Umformulierung meiner Gedanken doch wieder die alt bekannten Gefühle einstellen. Daher bin ich manchmal häufig echt skeptisch, ob sich mein Gehirn wirklich so einfach umstrukturieren lässt. Ich werde Geduld und Vertrauen haben müssen – eindeutig nicht meine größten Stärken!
Wie ist das bei euch? Kennt ihr solche automatischen negativen Gedanken? Wie geht ihr damit um? Fällt es euch einfach Alternativen zu finden?
Tipp: Schaut doch mal auf Gedankenspiele
Hallo Annie,
Ich hatte mal ein Angst-Problem, aus so etwas herauszukommen ist sehr schwer. Daher kann ich nachvollziehen, dass man Gedankenmuster durchbrechen sollte, aber kaum einer kann sich vorstellen, wie schwer das ist. Ein therapeutischer Ansatz hat mir übrigens nicht geholfen 🙂
Liebe Grüße, Bee
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Liebe Bee,
es tut mir leid, dass dir Therapie nicht helfen konnte. Vielleicht war es der falsche Ansatz oder der falsche Therapeut für dich? Hast du es denn geschafft aus der Angst herauszukommen? Ich habe mich irgendwie von meiner Spinnenphobie selbst geheilt, in dem ich mich in meiner ersten eigenen Wohnung diesem Problem aussetzen musste 😉
Herzliche Wochenendgrüße von Annie
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Dieser Vergleich zu Google ist wirklich sehr treffend.
Mir fallen selbst auch immer wieder solche automatischen Gedanken bei mir auf. Aber es ist wirklich schwer, dies zu ändern. Selbst wenn mir in dem Moment bewusst ist, dass diese negativen Gedanken automatisch ablaufen, kann ich meistens nichts dagegen tun. Und die folgenden negativen Gefühle stürzen auf mich ein.
Es erfordert viel Arbeit und sicherlich auch die passende Unterstützung, um diese Gedankenmuster neu strukturieren zu können.
Ich wünsche dir viel Erfolg dabei!
LIebe Grüße,
Alice
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Hallo Alice,
ich denke du musst dir genau wie ich mir Zeit lassen. Sieh es als Fortschritt die Gedanken zu erkennen, denn das ist ja auch nicht so einfach. Mir hilft es sie so aufzuschreiben, wie sie in meinem Kopf sind, was sie bei mir an Gefühlen oder körperlichen Symptomen auslösen und sich dann zu überlegen wie es gelingen kann anders zu denken. Hast du so etwas schon einmal gemacht? Anfangs wird die Automatik sicherlich trotzdem anspringen – solange bis wir neue Strecken anbieten! Hast du eigentlich therapeutische Unterstützung?
Annie
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Ich bin seit längerer Zeit auf der Suche nach therapeutischer Hilfe, aber ohne Erfolg. Habe auch schon in Eigenregie versucht, an diesen automatischen Gedanken zu arbeiten, aber ohne externe Hilfe scheint das nicht möglich zu sein – zumindest gelingt es mir nicht.
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Liebe Alice,
hast du dir denn schon Therapeuten angeschaut? Es ist teilweise frustrierend wie lange auf einen Platz gewartet werden muss, aber bleib dran! Dazu passt es auch nicht immer beim ersten Mal. Ich hatte vor meiner jetzigen Therapie 2 weitere Therapeuten angeschaut, die jedoch beide nicht passend waren. Da ich etwas Zeit brauche es für mich klar zu bekommen, nehme ich mir die 5 probatorischen Sitzungen, die mir zustehen. Ich wünsche dir viel Kraft und Durchhaltevermögen! Falls du Hilfe benötigst, meld dich gerne per Mail.
Annie
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Natürlich kenne ich sie, die negativen Gedanken und die Gefühle dazu. Wobei ich mir für mich selbst nicht sicher bin, wer da zuerst da ist. Gedanke oder Gefühl. Schließlich habe ich in Kindheit und Jugend lange genug geübt „falsch“ zu sein. Dieses Gefühl wurde mir zumindest sehr sehr oft und lang anhaltend gegeben. Von Mitschülern, sehr viel von Lehrern… und auch von Eltern, die das nicht auffangen konnten.
Schon der olle Freud soll gesagt habe: „Das Unterbewusste kennt keine Negation.“ Was heißen soll: Wenn Gedanken da sind, die uns nicht schmecken oder nicht gut tun, dann werden die nur noch STÄRKER, wenn man nach Kräften versucht, nicht an sie zu denken. So gesehen ist es also nur logisch, die unliebsamen Gedanken eben nicht zu bekämpfen, sondern neue, gesündere „Gedankengänge“ aufzubauen und zu gehen, bis die alten nicht mehr so sehr gebraucht werden. Danke also für Deinen Post, der mich darauf explizit nochmal hinweist. Mh. Wie übe ich das jetzt?
Geduld finde ich immer dann besonders schwierig, wenn es mir nicht besonders gut geht. Dann denke ich: Ich muss jetzt was machen! Am besten gleich! Und verstricke mich damit nur noch mehr im Negativen.
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Lieber Hans-Jörg-Peter 😉
Geduld ist auch nicht meine Stärke, ich möchte immer alles direkt sofort können und erledigt haben. Dein Beispiel mit Freud erinnert mich an den besagten rosa Elefanten – versuch jetzt nicht an ihn zu denken! 😀
Du könntest es üben, in dem du deine Gedanken bewusst wahrnimmst, die automatischen herausfilterst und aufschreibst. Das ist nämlich gar nicht so einfach. Danach überleg dir wohin du gerne möchtest und welche Gedanken du dafür einsetzen kannst. Hier gilt: Übung macht den Meister!
Schönes Wochenende von Annie
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Moin Annie,
sehr schön beschrieben.
Ja, es kostet Kraft und Geduld, diesen automatisierten Prozess zu unterbrechen und neu zu strukturieren. Es kostet mental Kraft und oftmals auch körperliche Kraft, diese Umstrukturierung durchzuführen. Die gute Nachricht aber ist, sobald Du die alte Struktur erkennst, kannst Du aktiv eingreifen und damit das Programm neu schreiben.
Weiterhin ganz viel Erfolg.
Liebe Grüße
Michaela
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Liebe Michaela,
vielen Dank für deinen Kommentar. Es klingt als hättest du schon selbst an deinen automatischen Gedanken mit Erfolg gearbeitet? Wie ist dir das gelungen? Ich bleibe natürlich dran, selbst wenn es streckenweise Frustrationen mit sich bringt.
Annie
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Meine Strategie war, zu schauen, woher der Gedanke kam. Dazu habe ich mir ein Häuschen, naja .. eigentlich war es ein Schloß, denn ich brauchte viele Räume :-), vorgestellt, mit Kellerräumen, Räumen im Erdgeschoß, im Obergeschoß, unterm Dach, Türmchen, mit Garage und Gartenschuppen. Mit großen und kleinen Räumen.
Dieses Haus bin ICH! mit all meinen Anteilen wie Angst, Wut, Aggression, Selbstwert, Freude, Zuversicht, Mut, meine innere Leere, meine Kraft .. usw.
Dann habe ich mir angeschaut, wer in welchem Raum ist und wie groß dieser Raum ist.
Mein Selbstwert und die Zuversicht teilten sich z.B. die kleine Abstellkammer, während die Angst und Wut sich einen ganzen Flügel teilten.
Ich – als Hausherrin – habe dann beschlossen, dass die Räumlichkeiten so falsch genutzt werden und habe angefangen, meine Anteile umziehen zu lassen. Angst und Wut wurden Zimmer zugewiesen, die zwar noch groß waren, aber sie durften nicht mehr einen ganzen Hausflügel „besetzen“. Dafür habe ich dem Selbstwert und der Zuversicht ein Zimmer gegeben, dass etwas größer, sonnig, hell und freundlich war.
Ich habe quasi umstrukturiert. Ging nicht von heut auf morgen und war auch mit großen inneren Diskussionen verbunden. Aber ICH habe mich nicht davon abbringen lassen – und letztendlich hab ich auch nicht mehr diskutiert, sondern entschieden, wer in welchem Raum zu leben hat.
Versuche wertschätzend mit Deinen Anteilen zu sein, sehe sie, erkenne sie an, denn alle haben ihre Berechtigung – in einem gesunden Maße und was für Dich gesund ist, bestimmst ganz alleine Du !!
Ich hoffe, ich konnte Dich inspirieren.
Sei achtsam mit Dir …
Lieben Gruß
Michaela
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PS: Mir hat es geholfen, einen Plan des „Hauses“ zu malen – und in diesen Plan hineinzuspüren. Es gab so einige Zeichnungen.
Jetzt herrscht Frieden bei mir im Haus, alle sind soweit zufrieden und haben sich schön eingerichtet. Es meckert mal der eine oder andere, aber dass ist ganz normal. Ich schaue mir dann den Grund an und bedanke mich für den Hinweis, den mir mein Anteil geben wollte.
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Liebe Michaela,
wow das Bild ist echt überwältigend. Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht immer einfach die einzelnen Anteile von einem Umzug zu überzeugen. Mir fällt es häufig schwer zu visualisieren, deshalb hatte ich mal meine Anteile als Personen benannt – vom Kleinkind bis zur Erwachsene. Haben sich deine Anteile denn mittlerweile ohne Murren in den Räumen niedergelassen oder wandern sie noch umher? Es könnte ja sein, dass Angst und Wut sich nach und nach den Westflügel zurück erobern, oder?
Einen schönen Sonnen-Sonntag wünsche ich dir!
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lach Nein, der Westflügel wurde nicht zurück erobert. Es hat eine Zeit gedauert und ich habe mich damit sehr intensiv auseinander gesetzt. Wir sind inzwischen in ein schönes Haus gezogen, in dem jeder ein schönes Zimmer für sich hat und zufrieden ist. „Wir arbeiten“ inzwischen alle gut zusammen. Ich habe gelernt, zu reflektieren, was mir welcher Anteil sagen will.
Mir geht es inzwischen wirklich sehr gut und ich bin dankbar dafür. Sonst hätte ich heute nicht meine eigene Praxis, etwas was ich mir früher niemals zugetraut hätte.
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Hallo Annie,
den Vergleich finde ich mehr als treffend. Ja das kenne ich leider auch. Gut wenn man zumindest probiert etwas zu ändern. Das das nicht mal so hop top geht ist klar. Festsitzendes ist schwer umzupolen. Du schaffst das aber sicher.
Liebe Grüße
Tanja
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Liebe Tanja,
vielen Dank für deinen Zuspruch. Rational schaffe ich das sogar schon sehr gut, denn ich erkenne die Gedanken recht schnell und kann mir auch Alternativen überlegen. Nur das Gefühl zieht noch nicht so richtig nach!
Schönes Wochenende an dich!
Annie
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Hallo Annie,
gerade bin ich zufällig auf deinen Blog gestoßen und musste beim Lesen des Posts einfach einen Kommentar da lassen, denn diese automatischen Gedanken sind auch lange schon in meinem Leben ein großes Thema. Zum Teil durch die Zwänge, an denen ich leide, zum Teil durch die Depression. Die Erklärung mit Goofle finde ich sehr einleuchtend und hoffe, in meiner Therapie lerne ich jetzt auch, neue gesündere Gedankengänge und -muster aufzubauen.
Viele liebe Grüße
Nebelherz
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Liebes Nebelherz,
vielen Dank für deinen Kommentar! Ich denke wir werden immer wieder an unseren Gedanken arbeiten müssen – mal mehr, mal weniger. Es ist toll, dass du therapeutische Hilfe hast, denn das erleichtert es enorm!
Grüße von Annie
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Liebe Annie! Das hast du richtig toll beschrieben, danke!
Ich kenne so etwas auch sehr gut und arbeite da auch schon seit langem dran. Mittlerweile fällt es mir leichter, aber auch nicht immer. Mit meiner Therapeutin bin ich damals angefangen und habe das innere Kind visualisiert und ihm einen sicheren Raum zugewiesen. Wenn also eine Situation kommt, wo so automatische Dinge in mir drin ablaufen, schau ich mir mein Kind an, versuche es zu verstehen und ihm aber auch das zu geben, was es gerade braucht. Dann kann ich es zum spielen/Eis essen/was auch immer schicken und anstatt das mein inneres Kind reagiert, reagiere ich als erwachsene Person. Mittlerweile klappt das mehr oder weniger echt gut! Aber hin und wieder streiten wir auch, weil mein inneres Kind nicht immer mir die Führung überlassen möchte 😉
Ich wünsche dir viel Kraft für deine Arbeit mit deinen Gedanken & Gefühlen!
Liebe Grüße, Frauke
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Liebe Frauke,
ich bin immer wieder positiv überrascht wie gut du mit deinem inneren Kind umgehen kannst. Auch wenn es nicht immer auf Anhieb klappt, scheinst du da schon einen riesigen Schritt in deiner Therapie gemacht zu haben. Ich wünschte ich wäre auch so weit. Mir fällt es wirklich schwer kontinuierlich an der Umformulierung meiner Gedanken zu arbeiten. Irgendwie verdrängt mein System die Aufgabe sehr sehr gerne!
Annie
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Du, das liest sich einfacher als es in Wahrheit im Alltag ist 😉
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