bei Depressionen aktiv werden
Depression, Soziale Angst

Werd‘ endlich aktiv!

Jeder, der einmal in seinem Leben eine Depression hatte oder Menschen mit einer depressiven Erkrankung kennt, weiß wie erdrückend ein stinknormaler Tag sein kann. Das Bett erscheint als der friedlichste Ort der Welt. Alles andere wirkt total sinnlos! Gerade deshalb ist es umso wichtiger aktiv zu werden – so wenig machbar es sich auch anfühlen mag.

Meine Therapeutin und ich arbeiten an diesem wichtigen Punkt. Ich soll in die Aktivität gehen – soziale Kontakte aufbauen, mit Freunden treffen, mich sportlich betätigen – auf gut Deutsch: Hintern hoch, Depression zu Hause auf dem Sofa lassen und raus in die Welt! An Ideen mangelt es mir nicht, denn es gibt durchaus Aktivitäten, die mich interessieren würden: in einen Sportverein eintreten, im Chor singen, eine Selbsthilfegruppe aufsuchen, Gitarre lernen, etc. Jedoch scheitert es an der Umsetzung.

Es fällt mir nicht besonders schwer, die benötigten Informationen für eine erfolgreiche Umsetzung zu besorgen, jedoch bleibt es dann meist beim Lesen der entsprechenden Internetseiten oder dem Heraussuchen einer Kontaktnummer. Der letzte entscheidende Schritt erscheint mir so unheimlich schwer – als wären meine Füße urplötzlich in den Boden einbetoniert.

Mein aktuellstes Beispiel: Mir wurde von unterschiedlichen Seiten noch einmal Mut zugesprochen, es mit einer Selbsthilfegruppe zu probieren. Also rief ich bei der Selbsthilfekontaktstelle an und ließ mir die Nummer einer Kontaktperson geben. Diese Nummer liegt seit Wochen auf meinem Schreibtisch.

Bei meinem ersten Versuch, einen Anruf zu wagen, schallte mir die erlösende Ansage „Die gewählte Nummer ist nicht vergeben“ entgegen. Mittlerweile habe ich die richtige Nummer erhalten. Auf eine weitere Episode des Ausharrens bis ich mich wieder traue.

Ich vermute, es fällt mir deshalb so schwer, den entscheidenden Schritt zu gehen, weil sich mein ängstlicher und mein zweifelnder Anteil zusammenschließen, so dass mein rationaler Anteil mit dem Filtern nicht hinterherkommt. Aussitzen ist eben einfacher, um die aufdrängenden Gedanken und die damit verbundenen, teilweise schwer auszuhaltenden Gefühle, unter Kontrolle zu halten. Was würde denn wirklich passieren, meine Ideen umzusetzen?

Einfach loslegen – im Haushalt klappt es und ist sogar mit positiver Wirkung verbunden. Wenn ich erst anfange zu spülen oder zu saugen, dann geht die restliche Arbeit meist relativ locker von der Hand. Danach fühle ich mich besser. Das sollte schon Grund genug sein, viel häufiger direkt aktiv zu werden – ohne dem Kopf Platz für Zweifel oder Widersprüche zu lassen.

Rein in die Umsetzung, weg vom Zer-Denken!

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9 Gedanken zu „Werd‘ endlich aktiv!“

  1. Liebe Annie,
    mein spontaner erster Gedanke bei der Überschrift war: „Es ist Winter!“ Okay, Herbst, aber jedenfalls die kältere und vor allem dunklere Jahreszeit. Ich glaube, da mangelt es vielen Leuten an Motivation. Wir Europäer zumindest brauchen wohl eher die Sonne für Energie und Motivation, unabhängig von eventuell vorhandenen zusätzlichen Motivationsbremsen wie Depression. Manchmal denke ich auch, dass wir Menschen gut und gerne Winterschlaf machen könnten. Die dunkle Jahreszeit einfach verschlafen.
    Hey, wie wäre es, wenn ich mal zu dir komme und wir kochen Kürbismarmelade zusammen? Geht super einfach und schnell. Wenn du die Gläser dafür sammelst, hol ich den Kürbis. So viele kochen Kürbissuppe. Aber wenn alle Kürbissuppe machen, ist das doch langweilig. Die Kürbismarmelade ist auch von Natur aus nicht so süß wie Fruchtmarmelade, weil der Kürbis ja schon nicht so süß ist. Melde dich, wenn du Lust und Zeit hast. Gerne auch spontan und kurzfristig. 🙂
    lg Sarah

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    1. Liebe Sarah,
      ja im Winter ist das „aktiv“ werden noch eine Runde anstrengender, weil die Tage kürzer werden und uns sehr viel Tageslicht zur Motivation fehlt. Bei mir zieht sich das Muster allerdings durch das ganze Jahr, weil ich die Dinge immer wieder zerdenke und mich damit blockiere. Wegen des Winterschlafs: Ich bräuchte eine Region, in die ich mich im Winter zurückziehen kann und wo es wie im Sommer in Skandinavien kaum dunkel wird. Das wäre optimal 🙂
      Annie

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  2. Das Schlimme ist, wenn man sich trotz all dem dazu zwingt, aktiv zu werden und diese Aktivität dann absolut negativ verläuft. Und man so noch mehr darin bestätigt wird, dass es sich nicht lohnt, überhaupt aufzustehen. Auch wenn es vielleicht in dem Fall nur ein ausgesprochen schlechter Zufall war, wird man darin bestätigt, lieber gar nicht erst etwas zu versuchen. Kennst du das auch?

    Liebe Grüße
    Alice

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    1. Liebe Alice
      ohja das kenne ich zu gut. Es gab schon Zeiten, in denen ich mich auch zu Treffen mit Freunden zwingen musste und es so gar nicht genießen konnte. Am liebsten wäre ich dann direkt wieder nach Hause, habe es aber meinen Freunden zuliebe durchgehalten. In so einem Moment oder besser danach frage ich mich, ob ich jemals wieder positive Gefühle empfinden kann. Wenn ich ehrlich bin, zwinge ich mich zu vielen Dingen im Alltag, denn sonst würde ich nach und nach wieder in Müll und Dreck versinken. Dorthin möchte ich keinesfalls zurück – ich hatte das zu Beginn meiner Depression vor ca. 11 Jahren. Solche negativen Erfahrungen müssen wir vielleicht ganz einfach als dazugehörig sehen? Gar nicht so einfach alte Muster und Denkweisen loszuwerden. Hast du in letzter Zeit denn schlechte Erfahrungen mit dem „aktiv sein“ gemacht?
      Annie

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  3. Ja, da hast du Recht. Ich stelle mir vor, dass es in gewisser Weise mit Wahrscheinlichkeiten zusammenhängt ( auch wenn ich Mathe hasse ^^ ). Ich sehe es z.B. bei nahe stehenden Personen von mir, dass diese ab und zu mal beispielsweise ein Treffen mit Freunden haben und dieses nicht gut läuft. Finden sie schade, aber bedeutet nichts Ernsthaftes für sie, da es einfach manchmal so sein kann. Und im Unterschied dazu sind bei mir Treffen mit Freunden gewisse Highlights. Ich bringe die Kraft auf, ein Treffen zu planen, ich überwinde mich, tatsächlich dorthin zu gehen und ich investiere meine Energie dafür. Für mich ist es also tatsächlich ein Highlight, dass ein Treffen stattfindet. Und umso mehr ist es dann ein Schlag, wenn dieses Treffen nicht gut läuft. Nach dem Motto, ich habe mich dazu überwunden, ich habe meine Kraft investiert und trotzdem lief es nicht gut – also warum habe ich es überhaupt gemacht? Aber es ist natürlich viel wahrscheinlicher, dass ein Treffen schlecht läuft, wenn man z.B. nur zu drei Treffen geht oder dass ein Treffen schlecht läuft, wenn man zu 20 Treffen geht.

    Rein objektiv gesehen ist mir das klar, aber ändert leider nicht wirklich viel an meinem emotionalen Zustand nach so einem missglückten Treffen 😉

    Wie ist das bei dir?

    Liebe Grüße

    Alice

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    1. Liebe Alice
      hey die Idee mit der Wahrscheinlichkeit ist mir noch gar nicht gekommen, aber klingt durchaus logisch. Theoretisch müssten wir genau mit so eine Haltung nach einem Treffen protokollieren welches gut lief und welches schlecht. Dann könnte man nach einer Reihe von Treffen ja schauen welches im Schnitt häufiger vorkam. Allerdings wird es schwierig, wenn es uns sowieso schon schwer fällt rauszugehen. Zusätzlich könnte die Gefahr bestehen nicht mehr objektiv an Treffen zu gehen, in dem sich ein Druck aufbaut, dass es wirklich gut laufen muss oder durch eine selbst erfüllende Prophezeiung eh scheiße verläuft. Mist wir sind einfach zu sehr gespoilert 😉
      Vom Kopf her weiß ich das meiste, aber wie bei dir ist mein emotionaler Zustand ganz anders. Das passt gut zu den Worten meiner Therapeutin: Das Gefühl muss erst noch ankommen, während der Kopf schon längst da ist. Weißt du was ich mich dann frage?? Wie lange soll das denn bitteschön dauern? 😀
      Annie

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  4. Du sagst es 😀

    Ja diese selbst erfüllenden Prophezeiungen… Das steht uns wohl auch oft im Weg. Wäre schön, wenn man einfach mal eben einen Knopf drücken und das ändern könnte. Aber so läuft es offenkundig nicht…

    In gewisser Weise „hoffe“ ich manchmal fast, dass meine mühsam aufgebrachte Aktivierung zu einem negativen Ergebnis führt. Denn so habe ich die Bestätigung, dass sich all das nicht gelohnt hat und somit habe ich auch gleich eine „Ausrede“, nächstes Mal im Bett liegen bleiben zu können.

    Es könnte alles so einfach sein, wenn… 😀

    Liebe Grüße

    Alice

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  5. Hallo Annie,

    mhhh deine Ratschläe sind sicherlich nett gemeint, aber wenn man wirklich eine Depression hat, sind sie eher weniger sinnvoll. Es gibt dazu ein sehr gutes Buch von Joachim Bauer, welcher über die Ursachen, Auswirkungen und die Behandlungsmöglichkeiten von Depressionen schreibt – eine Zusammenfassung + ein paar Hinweise aus anderen Quellen, habe ich vor nicht all zu langer Zeit auf meiner Seite verfasst unter: http://mintiki.de/blog-2015-2#Depression
    Viele Grüße

    MINTiKi

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    1. Hallo Mintiki
      vielen Dank für deinen Kommentar und den Hinweis auf den Beitrag über das Buch von Joachim Bauer. Ich werde ihn mir auf alle Fälle noch durchlesen.
      Zu deiner Kritik an meinen „Ratschlägen“: Ich möchte hier keinesfalls allgemeingültige Ratschläge oder Hilfen erteilen, sondern hier steht einzig und allein, was ich mit dieser Krankheit erlebt habe bzw. noch erlebe. Das hat keinen wissenschaftlichen oder psychotherapeutischen Hintergrund, sondern ich schöpfe aus meinem Erfahrungsschatz, den ich mir in den Jahren angeeignet habe. Mir geht es darum mich auf meinem Blog mit all meinen Gedanken, Zweifel, aber auch Ideen ausdrücken zu können. Wenn es dem Ein oder Anderen hilft neue Anreize mitzunehmen, dann ist das schön, jedoch kein MUSS.
      Die Depression ist so vielseitig und äußert sich in vielen Facetten – genauso individuell muss jeder mit dieser Erkrankung seinen eigenen Weg finden.
      Liebe Grüße
      Annie

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