Ich habe gerade zwei Postkarten zum Verschicken fertiggemacht – eine für meine beste Freundin und eine für eine Bekannte, die sich gerade in einer psychosomatischen Klinik befindet. Mir macht es unheimlich Spaß, kleine Überraschungen im Alltag zu verschicken. Freut sich der Empfänger, freue auch ich mich. Dadurch fühle ich mich ein Stück weit wahrgenommen. Postkarten sind heutzutage total außer Mode geraten. In der Welt von Smartphone und Internet wird lieber eine Nachricht über die sozialen Medien verschickt, um sich möglichst schnell und bequem mitzuteilen. In meinen Augen eine Entwicklung, die ich sehr bedaure. Mich freut es viel mehr, eine persönliche, handgeschriebene Karte mit schönem Motiv zu erhalten als über Twitter ein Foto auf meiner Timeline zu sehen oder eine kurze WhatsApp Nachricht mit „Wie geht es dir?“ zu erhalten. Eine Postkarte aussuchen, sie individuell zu gestalten und dann zu versenden kann kein Beitrag bei Facebook und Co ersetzen.
Es gab eine Zeit, in der meine Cousine mir noch hin und wieder eine Karte schickte. Ich empfand dies als sehr schön, weil ich merkte ich bedeute ihr etwas und sie möchte an meinem Leben teilhaben. Mittlerweile höre ich weder von meiner Cousine noch von meinen anderen Verwandten etwas. Selbst mein Bruder meldet sich nur dann bei mir, wenn er etwas von mir möchte. Es macht mich traurig zu sehen, dass meine nächsten Angehörigen, mit denen ich aufgewachsen bin, nicht an meinem Leben teilnehmen möchten. Ich scheine für sie unbedeutend geworden zu sein.
Innerhalb meiner Familie hatte ich schon als Kind das Gefühl, eher eine Außenseiterrolle zu haben. Ich war das Kind, das erduldet wurde, aber im Grunde einfach nur lästig war. Mir ist klar, welchen Anteil meine Erziehung und meine Sozialisation daran hat. Trotzdem kann ich dieses Gefühl und die erdrückende Traurigkeit nur schwer akzeptieren. Mir ist auch bewusst, wie wichtig diese Akzeptanz ist, um Abschied von meinem Wunsch zu nehmen, einen regelmäßigen, aneinander interessierenden Kontakt zu haben.
Vor ungefähr einer Woche schrieb ich meiner Cousine eine Nachricht, in der ich ihr mitteilte, wie sehr ich mich freuen würde, wenn wir wieder regelmäßiger Kontakt halten könnten. Sie vertröstet mich mittlerweile seit einem dreiviertel Jahr immer wieder mit den Worten „Ich melde mich bei dir!“. Darauf warte ich noch immer. Ihre Antwort auf meine Nachricht machte mich sehr traurig – eine Traurigkeit, die die Tränen fließen lässt. Für sie ist unser Kontakt, wie er gerade besteht, vollkommen ausreichend. Ich verstehe, dass sie mit einem Kleinkind und einem Teilzeitjob nicht viel Zeit hat, aber bleiben im Alltag nicht 5 oder 10 Minuten um z.B. kurz miteinander zu telefonieren? Fordere ich etwa zu viel?
Stress – das Wort, was heutzutage jedes Nicht-Interesse entschuldigt?!
Wenn ich mit meinen Eltern über den Kontakt zu meinem Bruder spreche, wiederholen sie jedes Mal gebetsmühlenartig die gleichen Sätze. Er habe durch seine Arbeit sehr viel Stress, sein Haus habe diese und jene Baustelle und seine eigene kleine Familie möchte ebenfalls Zeit mit ihm verbringen. Wären da nicht meine beiden Neffen, könnte ich vielleicht besser mit dem Gefühl der Enttäuschung umgehen. Natürlich nehmen meine Eltern ihn in Schutz, weil er ihr Kind ist – verständlich. Trotzdem vermitteln sie mir dadurch auch, nicht verständnisvoll genug zu sein, zu viel zu fordern. Ist es denn wirklich zu viel gefordert ab und zu Kontakt zu seinem eigenen Bruder haben zu wollen? Ich möchte gerne an seinem Leben teilhaben. Das geht allerdings nur dann, wenn er mich auch willkommen heißt und ebenfalls an meinem interessiert ist.
Empathie – die Fähigkeit und Bereitschaft Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen Wikipedia
Empathie – eine Eigenschaft, welche meine Familie nie wirklich erlernt hat. Eine Fähigkeit, die ich mir hart erarbeitet habe und worauf ich sehr stolz bin.
Liebe Annie, dein Post beschäftigt mich sehr. Auch ich bin gerade in der Situation oder immer wieder in der Situation, wo sich Kontakte verlieren. Manchmal zu bestimmten Lebensabschnitten. Ganz oft, weil ich das Gefühl habe, dass es sich oft um einseitig gepflegte Kontakte handelt. Besonders hart trifft es auch mich, wenn ich mir eingestehen muss,.dass es sich auch um Kontakte in der Familie handelt. Du bist nicht alleine, leider.
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Lieber anonymer Posterdas Gefühl zu haben Kontakte werden nur einseitig gepflegt, kenne ich auch. Jedes Mal ist man die Person, die nachfragt, anruft, schreibt, aber zurück kommt wenig bis gar nichts. Ich denke aus solchen Verbindungen muss man sich nach und nach lösen, weil sie uns nicht gut tun. Das ist mit viel Schmerz, Trauer und Enttäuschung verbunden. Dagegen weiß ich allerdings auch keinen wrklichen Rat.
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Von Anonym wurde ein Post leider nicht angezeigt, ist aber in meinem Postfach gelandet. Ich kopiere ihn mit der Erlaubnis hierher :)Erschreckend finde ich es, wenn sich die einseitigen Kontakte innerhalb des eigenen Familiensystems befinden. Zunächst sucht man noch nach Entschuldigungen, warum derjenige nun aber wirklich keine Zeit hat sich zu melden, man schreibt doch wieder von sich aus, bekommt noch eine Antwort, macht Vorschläge für ein Treffen, aber in die Tat umgesetzt wird es dann letztlich doch nicht mehr. Sich aus der festen Rolle des "Melders" los zu lösen ist gar nicht so einfach. Ich übe dies nun auch gerade wieder verstärkt. Verwundert bin ich auch darüber, dass man manche Menschen anschreiben kann, ihnen zum Beispiel viel Erfolg zu einer Prüfung wünscht oder generell nachfragt wie es geht und sie nicht in einer Nachricht nach der eigenen Befindlichkeit fragen … Ich kann dich beruhigen, du verlangt nicht zu viel von anderen!!!!
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